Steuergerechtigkeit

Steuergerechtigkeit
Steu|er|ge|rech|tig|keit, die <o. Pl.>:
Gerechtigkeit in Bezug auf die zu zahlenden Steuern, wobei die Höhe der Steuern so [gestaffelt] festgelegt wird, dass sie in einem gerechten Verhältnis zur tatsächlichen finanziellen Leistungskraft des Steuerzahlers steht.

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Steuergerechtigkeit,
 
eine die Bemessung der individuellen Steuerzahllasten betreffende Norm. Ursprünglich wurde unter Steuergerechtigkeit ausschließlich die »gerechte« Verteilung einer zur Finanzierung der Staatsausgaben aufzubringenden Steuersumme auf die einzelnen Steuerzahler nach den Prinzipien der horizontalen Gerechtigkeit (Gleichbehandlung von »Gleichem«) und der vertikalen Gerechtigkeit (Ungleichbehandlung von »Ungleichem«) verstanden (Steuerlastverteilungsgerechtigkeit). Das Postulat »gerechter« Besteuerung umfasst herkömmlicherweise drei Elemente: 1) Nach dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung sind alle Personen, auf die einer der gesetzlich festgelegten Steuerverpflichtungsgründe zutrifft, ohne Rücksicht auf außerökonomische Kriterien wie Staatsangehörigkeit, Stand, Klasse, Religion oder Rasse zur Steuer heranzuziehen; eine früher übliche Steuerfreiheit z. B. des Adels und des Klerus wäre mit dieser Forderung nicht zu vereinbaren. 2) Der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verlangt, dass Personen, die sich in gleichen (steuerlich relevanten) wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, steuerlich gleich behandelt werden; er betrifft in erster Linie die Regelung der Steuerbemessungsgrundlage. 3) Ihm entspricht in vertikaler, steuertariflicher Hinsicht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Besteuerung, dem zufolge bei Personen, die sich in ungleichen (steuerlich relevanten) wirtschaftlichen Verhältnissen befinden, die individuellen Zahllasten entsprechend (»verhältnismäßig«) abgestuft sein müssen. Der Maßstab für die Formulierung der Steuerbemessungsgrundlage und für die Ausgestaltung des Steuertarifs einer gerechten Besteuerung kann entweder in den individuellen Anteilen an den mit der Steuer finanzierten öffentlichen Leistungen gesehen werden (Äquivalenzprinzip) oder (heute überwiegend) in der bei den Individuen vorhandenen »Leistungsfähigkeit« (Leistungsfähigkeitsprinzip). Bei beiden Interpretationen wird unterstellt, dass die vorhandene Verteilung der Einkommen (und Vermögen) »richtig« ist und nicht bewusst durch die Besteuerung korrigiert werden soll. Im modernen Sozialstaat dagegen hat die Steuer nicht nur die fiskalische Funktion der Mittelbeschaffung, sondern ist zugleich ein Instrument der gezielten Veränderung der Einkommens- und Vermögensverteilung und damit auch entsprechend der angestrebten Umverteilungswirkung zu bemessen (Umverteilungsgerechtigkeit).
 
Eine wissenschaftliche bestimmte eindeutige Interpretation von Steuergerechtigkeit kann es nach alledem nicht geben. Überdies wäre bei allen Überlegungen zur Steuergerechtigkeit nicht nur auf einzelne Steuern, sondern auf das gesamte Steuersystem, und nicht nur auf die »nominelle« Steuerzahllast, sondern auf die (wissenschaftliche ebenso wenig eindeutig bestimmte) effektive Steuerinzidenz abzustellen. Und schließlich sind bei Steuergerechtigkeitsüberlegungen die ökonomischen (Anreiz-)Wirkungen der Besteuerung und der mögliche Konflikt zwischen dem distributiven Ziel einer gleichmäßigeren Einkommensverteilung und dem allokativen Ziel eines möglichst großen Volkseinkommens als »Umverteilungsmasse« zu berücksichtigen.
 
 
F. Neumark: Grundsätze gerechter u. ökonomisch rationaler Steuerpolitik (1970);
 K. Tipke: S. in Theorie u. Praxis (1981);
 
S., hg. v. A. Rauscher (1995);
 
S. durch Steuervereinfachung, hg. v. P. Bornfelder (1997).

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Steu|er|ge|rech|tig|keit, die: Gerechtigkeit in Bezug auf die zu zahlenden Steuern, wobei die Höhe der Steuern so [gestaffelt] festgelegt wird, dass sie in einem gerechten Verhältnis zur tatsächlichen finanziellen Leistungskraft des Steuerzahlers steht: mehr S. fordern; Steuern auf notwendige Lebensmittel sind mit S. nicht vereinbar.

Universal-Lexikon. 2012.

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